Wenn der Nachname über die Karriere entscheidet
Immer wieder erleben wir bei compass international Geschichten, die uns wirklich die Sprache verschlagen, nachdenklich und traurig machen. Dazu gehört, dass nach wie vor der Nachname mit über die Karriere entscheidet. Das sind die Momente, in denen ich mich frage, was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich nicht Müller heißen würde …
Es ist gar nicht lange her, da war in einem meiner Workshops zum Thema „Unconscious Bias“ eine Teilnehmerin eines Unternehmen, welches, wie so viele auch, einen Außendienst hat. Der Austausch ging unter anderem darum, dass sich Talente mit ausländischen Namen deutlich häufiger bewerben müssen als solche, die Schmitt, Schulz oder Kuhn heißen. Allein schon dieser Status quo lässt das Blut in meinen Adern pochen, aber bei dem, was dann kam, blieb mir die Spucke weg.
Die Kunden wollen das so …
Die Teilnehmerin, eine Führungskraft, erzählte – ohne mit der Wimper zu zucken – dass bei ihnen im Außendienst grundsätzlich keine Mitarbeitenden arbeiten würden, die keinen deutschen Nachnamen besäßen. Begründung: Die Akzeptanz der Kunden. Und außerdem wäre man sich immer unsicher in der Aussprache. So viel zum Thema Vielfalt in Unternehmen. Das ist ja kein „unconscious bias“ (unbewusste Verzerrung), sondern ein ganz klassisches Vorurteil, beruhend auf einer Annahme, was die Kunden wohl denken könnten.
Ich möchte doch einfach nur einen Job
Oder ein anderes, haarsträubendes Beispiel: Ich lernte kürzlich eine junge Frau kennen. Ausgezeichnetes Studium im naturwissenschaftlichen Bereich, geboren in Deutschland, Deutsch als Erstsprache, mit türkischen Wurzeln und somit einem türkischen Nachnamen. Nachdem sie unzählige Bewerbungen vergebens verschickt hatte, ging sie auf das Standesamt und änderte ihren Nachnamen. Das ist ein Schritt, der nicht mal eben so zu bewältigen ist, es braucht triftige Gründe, um in Deutschland eine Namensänderung beantragen zu können. Ein anerkannter Grund ist: „wenn der Name eine große Belastung ist – zum Beispiel, weil die Person deswegen gemobbt oder persönlich verletzt wird …“. Und – oh Wunder oh Wunder – bei der nächsten Bewerbung wurde sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen …
Wie muss es dieser jungen Frau ergangen sein, dass sie diesen Schritt für sich als den richtigen gesehen hat? Was tun wir Menschen an, wenn wir sie aufgrund eines Namens ablehnen?
Wann beginnt endlich ein Umdenken?
Und bitte aus vielerlei Hinsicht!!!!
Umdenken bezüglich unserer Gesellschaft
Es ist gar nicht so lange her, da waren wir in der Nachkriegszeit auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Und sie kamen, aus Spanien, Italien, der Türkei und anderen Ländern. Die Familien integrierten sich, ihre Kinder und bereits die Kindeskinder sind in Deutschland geboren, gingen hier zur Schule, sprechen Deutsch, haben hier ihre Ausbildung oder ihr Studium hier absolviert. Und dennoch werden sie aufgrund ihres Nachnamens degradiert. Da stelle ich mir die Frage, wie wir das im Zeitalter der Regenbogenfarben, des Genderns, der bunten Einhörner vertreten können? Wie kann man ein solches Verhalten rechtfertigen? Meiner Ansicht nach: gar nicht!!!!
Umdenken bezüglich Wirtschaftsstandort und Fachkräftemangel
Wir haben einen Fachkräftemangel. Damit stehen wir quasi wieder da, als wir in den 50ern und 60ern Arbeitskräfte nach Deutschland holten. Und auch diese Fachkräfte werden nicht Müller, Schmitt und Kuhn heißen. Sie kommen aus Indien, aus Südkorea, aus Persien oder sonst woher. Wie soll das bei der verkrusteten Denke in Deutschland funktionieren? Muss jetzt jeder seinen Nachnamen ändern?
Was meinen Sie?