Vom Mismatch zum Match – aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung
Manchmal kann frau nur staunen – so auch in meinem Fall, als ich eher zufällig über einen Artikel zur Studie der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) stolperte. Der Titel: „Unternehmen werben auf den falschen Plattformen um Nachwuchs“.
Wie kann das sein? Gibt es in diesen Unternehmen keine jungen Menschen, die man fragen könnte, auf welchen Plattformen sie unterwegs sind? Oder Mitarbeitende mit eigenen Kindern, die hier wertvolle Hinweise geben könnten?
Gleichzeitig nimmt die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze stetig zu. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gibt an, dass 2010 noch 15 % der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze unbesetzt blieben; 2023 waren es bereits 35 %. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Von der vermeintlichen Unattraktivität bestimmter Ausbildungsberufe über die hohen Erwartungen der Arbeitgeber an die künftigen Auszubildenden bis – so das Ergebnis der Bertelsmann Studie – zur Nutzung von Plattformen, auf denen die Jugendlichen selbst kaum aktiv sind.
Die Studie beleuchtet die Lage am Ausbildungsmarkt sehr umfassend. Sie zeigt die Unterschiede in der Wahrnehmung von Unternehmen und Jugendlichen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ausbildungsplätzen und die unzureichende Kommunikation über die benötigten Fähigkeiten und Fertigkeiten auf. Ein weiteres zentrales Thema ist die unterschiedliche Nutzung verschiedener Social-Media-Kanäle.
Beachtenswert finde ich folgende Aussagen: „Während Unternehmen die Rolle von Facebook überschätzen – 71 Prozent der Unternehmen informiert hier über Ausbildungsstellen, aber nur 25 Prozent der Jugendlichen suchen hierüber –, schöpfen sie vor allem das Potenzial von YouTube noch nicht aus. Fast die Hälfte der Jugendlichen (47 Prozent) sucht hier nach Ausbildungsstellen, aber nur18 Prozent der Unternehmen nutzen dieses Format.“ Und „Somit wird WhatsApp von Jugendlichen fast doppelt so häufig (38 Prozent) genutzt wie von Unternehmen (21 Prozent). TikTok hingegen wird von kaum einem Unternehmen genutzt (4 Prozent), dennoch suchen hier 30 Prozent der Jugendlichen nach Ausbildungsangeboten.“
So ist ein erfolgreiches Match natürlich schwierig! Zudem stellt sich die Frage, wie Ausbildungsplatzmarketing auf Social Media gestaltet wird: In der Bild- und Wortsprache der Jugendlichen oder eher „sophisticated“ und damit schwer verständlich und gespickt mit (noch) unbekannten Begriffen aus der Arbeitswelt?
Darüber hinaus gibt es eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Unternehmen und der Jugendlichen hinsichtlich der notwendigen persönlichen Kompetenzen für eine Ausbildung. Diese gewinnen zunehmend an Bedeutung, die Auswahl erfolgt nicht mehr allein über Schulnoten. Ein gutes Drittel der befragten Jugendlichen gibt jedoch an, dass diese Aspekte und somit die geforderten Kompetenzen, nicht ausreichend kommuniziert werden. Gleichzeitig sehen „knapp drei Viertel der Unternehmen in der Stellenbesetzung einen Bedeutungszuwachs individuell vorhandener Kompetenzen gegenüber formalen Abschlüssen.“
Es geht in vielen Bereichen um die richtige Form der Kommunikation. Es wäre doch hilfreich, diejenigen zu befragen, die direkt betroffen sind. Scheinbar geschieht das allerdings noch viel zu wenig, und die Kommunikationsstrategien gehen oft an der Zielgruppe vorbei. Es erstaunt mich, denn es ist doch recht einfach, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und genau die Ergebnisse der Studie im eigenen Unternehmenskosmos zu überprüfen.
Worauf die Studie nicht eingeht, ist das Thema „Onboarding“ der Auszubildenden. Auch hier gibt es erhebliche Herausforderungen, wie die Tatsache, dass die Ausbildung in einigen Fällen gar nicht erst angetreten wird. In den USA gibt es zu diesem Phänomen „Ghosting“ bereits ausführliche Studien. Im Handwerk sprechen wir von bis zu 3 % der Auszubildenden, die zum Ausbildungsbeginn nicht erscheinen – eine kleine Zahl, die jedoch dazu führen kann, dass Betriebe nach dieser Erfahrung gar keine Ausbildungsplätze mehr anbieten. Ich wage die These, dass einige dieser Fälle leicht vermeidbar wären, wenn auch hier besser und vor allem häufiger kommuniziert werden würde. Die Phase vom Abschluss des Ausbildungsvertrages bis zum tatsächlichen Beginn der Ausbildung umfasst gerne mal ein ganzes Jahr. Ein Jahr, in dem noch viel zu viele Chancen ungenutzt bleiben, die neuen Azubis schon aktiv an das Unternehmen zu binden.
Mehr zu diesem Thema finden Sie auch in meinem aktuellen Buch „Professionelles Onboarding“
Und die komplette und sehr lesenswerte Studie der Bertelsmann Stiftung gibt es hier zum Download: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/vom-mismatch-zum-match-wie-sich-jugendliche-und-unternehmen-auf-dem-ausbildungsmarkt-suchen-und-finden-koennen