Steuervergünstigungen für internationale Fachkräfte: Brauchen wir das?

Die Bundesregierung denkt darüber nach, im Rahmen ihrer "Wachstumsinitiative" Steuererleichterungen für neu zugewanderte Fachkräfte einführen. So sollten diese in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen können, bei einer festgelegten Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn. Und nach fünf Jahren soll diese Maßnahme evaluiert werden – sprich, ob sie tatsächlich dafür sorgt, dass von den ca. 570.000 offenen Stellen möglichst viele mit internationalen Fachkräften besetzt werden konnten.

Kaum war diese Nachricht in der Welt, gab es wenig Zustimmung und viel Ablehnung. Alle Argumente dafür und dagegen sprengen den Rahmen dieses Newsletters, daher greife ich nur einige heraus.

Was könnte dafürsprechen?

  1. Erhöhung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit
    Deutschland steht im internationalen Wettbewerb um die besten Talente – insbesondere in den Bereichen IT, Ingenieurwesen und Gesundheitswesen, die stark vom Fachkräftemangel betroffen sind. Gute steuerliche Rahmenbedingungen, wie sie in 15 anderen europäischen Ländern bereits bestehen, könnten Deutschland für internationale Fachkräfte attraktiver machen.
  2. Wirtschaftswachstum durch internationale Expertise
    Internationale Fachkräfte bringen wertvolle Fähigkeiten und Erfahrungen mit, die Innovation und Produktivität in Unternehmen fördern können. Langfristig könnten sie zur Stärkung der deutschen Wirtschaft und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen. Die Präsenz internationaler Experten unterstützt zudem den Technologietransfer und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder.
  3. Förderung von Vielfalt und Internationalisierung
    Eine größere Anzahl internationaler Fachkräfte bereichert die kulturelle Vielfalt in Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Ein vielfältigeres und kreativeres Arbeitsumfeld kann innovative Lösungsansätze fördern und zur Dynamik von Teams beitragen.

Was spricht dagegen?

  1. Verlust von Steuereinnahmen
    Durch die Steuervergünstigungen entgehen dem Staat Einnahmen, die möglicherweise nicht vollständig durch die wirtschaftlichen Vorteile kompensiert werden.
  2. Gefühlte Ungleichbehandlung
    Steuerliche Sonderregelungen für internationale Fachkräfte könnten als ungerecht empfunden werden und gesellschaftliche Spannungen verstärken, was wiederum das Potenzial hat, politische Extreme zu fördern.
  3. Zweifel an der langfristigen Bindung
    Steuervergünstigungen allein bieten keine Garantie dafür, dass internationale Fachkräfte langfristig in Deutschland bleiben. Zusätzliche Integrationsmaßnahmen sind erforderlich, um eine dauerhafte Ansiedlung zu fördern.

Eine persönliche Einschätzung

Eine erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahme erfordert mehr als nur steuerliche Anreize. Es braucht eine umfassende Strategie, die gezielte Integrations- und Unterstützungsmaßnahmen umfasst. Solange die Integration nur als Aufgabe der Zugewanderten betrachtet wird und wir nicht bereit sind, weitere finanzielle Mittel dafür bereitzustellen, werden Steuererleichterungen allein nicht ausreichen, um Deutschland zu einem attraktiven Einwanderungsland zu machen.

Es gibt zahlreiche andere Faktoren, die gut ausgebildete Menschen aus dem Ausland davon abhalten, nach Deutschland zu kommen: die Sprachbarriere, bürokratische Hürden, mangelnde Digitalisierung, der schwierige und teure Wohnungsmarkt, fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, zunehmender Rassismus und Rechtspopulismus sowie eine oft fehlende Willkommenskultur in der Gesellschaft und in Unternehmen.

Typisch deutsch erscheint es, dass der Fokus auf einem rein sachlichen Thema wie „weniger Steuern“ liegt, anstatt die emotionalen Aspekte zu berücksichtigen, die ein Land attraktiv machen – oder eben nicht.

Ich finde der Blog von Marcel Fratzscher vom 15. Juli 2024 bringt es genial auf den Punkt, daher möchte ich diesen hier zum Abschluss zitieren:

„Warum die Idee wohl dennoch scheitern wird

Es gibt also gute Gründe für und kein schlagendes, rationales Argument gegen eine steuerliche Entlastung ausländischer Fachkräfte. Ich befürchte jedoch, dass diese Initiative scheitern und die Bundesregierung ihren Vorschlag zurückziehen wird. 

Der Grund dafür liegt in der Mentalität und Selbstwahrnehmung: Viele Deutsche scheinen überzeugt zu sein, dass selbst hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland uns mehr brauchen als wir sie. Zu viele haben noch nicht die existenzielle Bedrohung der großen demografischen Schrumpfung für unseren Wohlstand verstanden. Für andere geht es um Identität. Sie verzichten lieber auf Wohlstand, um nicht noch mehr Vielfalt und Zuwanderung akzeptieren zu müssen. Die Befürchtung ist daher, dass eine solche Maßnahme Opfer des Populismus werden wird, da einige Politikerinnen und Politiker auch demokratischer Parteien dies schon jetzt nutzen, um Stimmung gegen Zuwanderung zu machen. Als Gesellschaft müssen wir uns dann nicht wundern, wieso unsere Wettbewerbsfähigkeit und unser Wohlstand schwinden.“

Quelle: https://www.diw.de/de/diw_01.c.908112.de/nachrichten/warum_steuerrabatte_fuer_auslaendische_fachkraefte_nicht_ungerecht_sind.html